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Hier finden Sie aktuelle Nachrichten, Hintergründe, Kommentare sowie Informationen und Neuigkeiten, zu unterschiedlichen Themen rund um die Deutsch-Norwegische Gesellschaft e.V., Bonn und Norwegen.


 

Edvards Munchs 26.724 Werke bekamen ein neues Zuhause

Von Sven Otto Rømcke

Jetzt dreht sich in Oslo viel um MUNCH, wie es nun an diesem monumentalen Gebäude geschrieben steht, oder um das Munchmuseet, wie wir gewöhnlich sagen. Es wurde am Freitag, dem 22. Oktober 2021, offiziell eröffnet. Aber ich war dort schon am Dienstag, dem 19. Oktober. Da fanden sich auch viele andere ein, denn das Museum war für die Mitglieder des Munch-Freundeskreises bereits offen. Die Presse folgte erst am Tag nach den Mitgliedern.

Ich war mit einer Bonustochter dort (wer wissen will, was es damit auf sich hat, lese hier nach: https://naob.no/ordbok/bonusdatter). Wir haben fast drei Stunden damit verbracht, die sieben Ausstellungsetagen zu durchqueren. Wir fingen oben an, und das war schlau. Die meisten beginnen in der dritten Etage und gehen dann nach oben. Mit unserer Wahl hatten wir ungefähr in der Hälfte der Etagen nur eine bescheidene Anzahl von Zuschauern um uns herum. Aber dann wurde es dichter.

Im Bett mit Tracey Emin

Ein weiterer Vorteil ist, dass die oberste Ausstellungsetage Bilder aus der Sammlung Stenersen enthält. Dort durften wir Munch-Bilder im klugen Zusammenspiel mit Höhepunkten aus der Stenersen-Sammlung erleben. Es war gut! (Mehr zur Sammlung Stenersen im Text unten.)

Zwei Etagen sind der englischen zeitgenössischen Künstlerin Tracey Emin gewidmet, die Edvard Munch unter dem Titel „The Loneliness of the Soul“ begegnet. Für diejenigen, die leicht beleidigt oder gekränkt sind, bietet das ungemachte Bett von Tracy Emin Möglichkeiten dazu. Aber eigentlich ist es nur eine moderne Version einiger Motive Munchs; sie tritt mit ihm in Dialog.

Dann geht es weiter. Die Werke werden für Munch-Interessierte immer bekannter. Die Säle sind schmuckvoll bemalt; hier haben geschickte Kuratoren gearbeitet. Ich werde wieder hierher kommen, und dann begnüge ich mich mit einer Etage pro Besuch. Jede Etage ist ein Museum für sich. Im Erdgeschoss geben die Treppen und Gemeinschaftsräume ein gewisses Flughafen-Gefühl. Aber das ist vielleicht nicht so dumm, denn die Ausstellung im Obergeschoss verleiht fast Flügel. Und die großartige Aussicht aus den vielen Fenstern macht Lust aufs Fliegen.

Die Königin hat die Schnur durchgeschnitten

Die beiden letzten Oktober-Wochen dieses Jahres waren lebhaft. Zumindest in Oslo und besonders auf den Kulturseiten der Osloer Presse, in der Online-Kunstpresse und unter den vielen, die gefesselt sind von dem Mann hinter einigen unserer nationalen Ikonen.

Als König Harald in einer informellen Zeremonie die Eröffnungsrede hielt, sollen rund 10 000 Personen außerhalb von MUNCH gewesen sein.  Das Seilschneiden überließ er KöniginSonja, die seiner Meinung nach dafür besser qualifiziert sei. Die Königin hat eine gemeinnützige Galerie in derselben Gegend und ist auch als darstellende Künstlerin bekannt.

Die Tickets für das Eröffnungswochenende waren schnell ausverkauft, 15 000 Zuschauer sollen an diesem Wochenende MUNCH besucht haben. Im Freien waren Tickets nicht nötig. Bis 23 Uhr füllte das Museum das Areal mit zwei Freilichtbühnen durch musikalische Elemente und Überraschungen. Der gesamte Stadtteil Bjørvika war beteiligt und feierte den Tag.

Auch Kronprinz Haakon, Kronprinzessin Mette-Marit, Premierminister Jonas Gahr Støre (Arbeiterpartei) und Außenministerin Anniken Huitfeldt (ebenfalls Arbeiterpartei) waren bei der Eröffnung anwesend. Mette-Marit hatte am 14. Oktober 2016 den Grundstein für das Museum gelegt.

In seiner Rede sagte der König unter anderem: „Ich denke, ich kann im Namen aller sagen, dass wir uns auf diesen Tag gefreut haben. Endlich können wir uns versammeln, und bald werden wir die Türen zu einer neuen Attraktion betreten, nicht nur in unserer Hauptstadt, sondern in Norwegen und auf der ganzen Welt.“

Ist alle Werbung gute Werbung?

Man könnte fast meinen, dass hinter allem, was seit Munchs Tod 1944 passiert ist, eine Idee oder eine PR-Strategie steckt. Politische Meinungsverschiedenheiten und teilweise schlechtes politisches Handwerk gibt es, seit man sich nach dem Krieg auf Munchs Testament beziehen musste und lange nachdem die Bagger dort waren, wo das Museum entstehen sollte.

Jahrzehntelang wurden die Gemälde vernachlässigt, niemand übernahm dafür die Verantwortung. Munchs Wunsch war klar: Mit Ausnahme einiger Geldsummen und einiger Drucke an nahe Verwandte sollte alles, was er zurückließ, von der Stadt Oslo (damals Aker kommune) übernommen werden. Absolut alles!

Das Testament enthielt jedoch einige strenge Voraussetzungen für die Verwaltung der Kunstobjekte und des sonstigen Vermögens. Erst als 1963 ein Museum für Munch im Stadtteil Tøyen eröffnet wurde, kam eine gewisse Ordnung. Dann war es eine Weile an sich ruhig, obwohl es immer etwas gab, worüber man sich nicht einig war.

Höhe, Sponsoren und Aufzüge

Dann gab es echte Aufregung. Zunächst, als Estudio Herreros 2009 Sieger des Architekturwettbewerbs wurde. Und dann mit neuen Höhen in den Wochen vor und nach der Eröffnung, als auch ausländische Journalisten sich anmeldeten.

Es sind die gleichen Elemente, die sich wiederholen. Die Höhe, die Krümmung von 20 Grad in der neunten Etage und die Tatsache, dass Kunstmuseen meist horizontale Lösungen zeigen. Dieses Museum ist vertikal. Und das mit diesen Maßen! Dazu dreizehn Stockwerke! Ferner unzählige Rolltreppen und Aufzüge.
Und da sind noch die Sponsoren.

Mehrere haben bemerkt, dass das MUNCH unter den Sponsoren die Ölkonzerne Idemitsu und Aker BP hat, und finden das schlecht. So offenbar auch die Chefredakteurin Mariann Enge der Online-Zeitung Kunstkritikk. Schlimmer noch, findet sie und mehrere andere, dass das Museum bereitwillig für die Elektroauto-Marke Polestar wirbt. „Ob Henrichsen Museumsdirektor oder Autoverkäufer ist, kann man sich fast fragen“, schreibt sie.

Das Gebäude ist da!

Und dann sind da noch innen die grauen Böden und die recycelten Wandverkleidungen außen, ebenfalls grau. Da ist viel zu diskutieren, oft mit lauter Stimme und deutlichen Worten.

Die Kunstkritikerin des staatlichen Rundfunksenders NRK, Mona Pahle Bjerke, schrieb, das Gebäude sei „eine Narbe in Oslos Gesicht (...) Das neue Munch-Museum ist ein graues Industrie- und hässliches Hochhaus." Auch Oliver Wainwright in The Guardian ist sehr wenig begeistert und schreibt in seiner Zeitung, das Gebäude sei ein Traum für jeden, der den perfekten Ort für das Hauptquartier des klassischen Filmschurken suche.

Erling Dokk Holm ist Architekturfachmann der Zeitung Aftenposten. Er hat ein Gespür dafür, die Dinge von mehreren Seiten zu sehen. Er ist weder mit dem Äußeren noch mit der Lage zufrieden. Aber er sagt mit Bedacht: „Nun steht das Gebäude hier. Es muss auch im Inneren erlebt werden, und dort ist es erhebend. Wenn Sie das Gebäude betreten, ist es, als ob das gesamte Äußere verschwindet.“

Dreizehn Etagen, oben eine Bar, eine großzügige Bibliothek, Stockwerk um Stockwerk mit anspruchsvollen Ausstellungen, und das auf einer Fläche, die fünfmal so groß ist wie die Fläche im alten Museum. Merkwürdigerweise ist die perforierte Aluminiumfassade von innen schön und funktional. Wenn Sie an einem Fenster stehen, können Sie feststellen, wie die Fassade Sonnenschutz bietet, ohne die Aussicht zu ruinieren.

Epilog

Um im positiven Ton Dokk Holms fortzufahren, fügt der Oslo-Korrespondent des „dialog“ der Deutsch-Norwegischen Gesellschaft gern etwas hinzu. Das Museum, was immer man von Rolltreppen und Aufzügen halten mag - es soll nicht unterschätzt werden, dass es durchaus gut organisiert zu sein scheint. Es ist leicht, sich zu orientieren, und man kommt leicht von A nach B, ganz zu schweigen von A nach Ü.

In der Sammlung des Hauses gibt es, soweit ich weiß, nichts anders als echte Munch-Bilder, also keine Kopien. Alles ist von Munch signiert. Der berühmte „Schrei“ ist dabei als Malerei, Graphik und Zeichnung. Offenbar sind die meisten der Motive Munchs präsent. Er hat von ihnen fast immer mehrere Versionen gemalt.

Zum Schluss noch etwas Positives. In einem Debattenbeitrag in Aftenposten geht die Architektin Åshild Wangensteen Bjørvivk noch weiter: „Fast niemand mag das Gebäude, und ich finde die Provokation absolut wunderbar. Das mag für einen Künstler wie Munch das einzig Richtige sein.“

Sie schließt so: „Ich denke auch, dass Munch und seine Kunst und die Aufmerksamkeit, die sie in den kommenden Jahren erhalten wird, uns lange bevor wir die Diskussion über dieses Gebäude beendet haben, bei den konformistischen und engstirnigen Osloer Bürgern gründlich in Position bringen wird.“

Auf Norwegisch liest sich das so: „Så tror jeg også at lenge før vi er ferdig med å diskutere dette bygget, så vil Munch og kunsten hans, og oppmerksomheten den vil få i årene fremover, sette oss konforme og sneversynte Oslo-borgere.“

Denn Munch war – und ist – größer als wir alle zusammen.   ■

***

Rolf Stenersens Beziehung zu Edvard Munch

Edvard Munch hatte enge, ihm wichtige Unterstützer, so den Kunstsammler und Geschäftsmann Rolf Stenersen (1899-1978). 1936 schenkte Stenersen seine Sammlung von etwa 900 Werken der Stadt Oslo (damals Aker). Diese Werke sind heute Teil der Sammlung des Munch-Museums. Das Stenersen-Museum befand sich von 1994 bis 2015 in Vika in Oslo. Darüber klärt auch die Website des neuen Museums MUNCH auf: https://www.munchmuseet.no

Stenersens Familie wollte sich danach aus dem Munch-Vertrag zurückziehen. Aber nach gegenwärtigen Zeitungsartikeln sieht es aus, als sei die Familie mit der neuen Lösung zufrieden. Im Museum MUNCH ist Stenersens Sammlung derzeit mit 39 Werken auf einer separaten Etage sowie Leihgaben aus den Privatsammlungen von Nicolai Tangen und Stein Erik Hagen vertreten.

Die Sammlung Rolf Stenersens begann mit Munch, wurde aber nach und nach um eine Vielzahl von Werken junger Künstler der damaligen Zeit erweitert. Darunter waren Olav Strømme, Kai Fjell, Ludvig Karsten, Reidar Aulie, Rolf  Nesch und Jakob Weidemann. Mehrere von ihnen wurden direkt oder indirekt von Munch beeinflusst, der Stenersen auch Ratschläge gab, auf welche Künstler er sich konzentrieren solle.    ■


Die Sammlungen in Zahlen

Das Museum bewahrt 28 000 Kunstwerke in vier Sammlungen, nämlich zu Munch und die der Sammler Rolf Stenersen, Amaldus Nielsen und Ludvig O. Ravensberg.
Das Wichtigste sind 26 724 Munch-Werke, unterteilt in über 1200 Gemälden, 705 Zeichnungen und Skizzen sowie 18 322 Grafikblätter,  verteilt auf 842 verschiedene Motive.
Dazu kommen 14 Skulpturen, ferner sehr viele Originalfotos Munchs, Druckplatten und Lithografiesteine, außerdem Tausende von Texten und Briefen sowie 9830 persönliche Gegenstände.

Ein kleiner Einblick in das Museum erwartet Sie hier!


 


Rmcke foran munch

 

Unser Autor: Sven Otto Rømcke (Jahrgang 1948) ist seit 1990 als selbstständiger Kommunikationsberater tätig.
Zuvor war er Kommunikationschef bei der norwegischen Tochtergesellschaft eines internationalen Beratungsunternehmens.
Er arbeitete auch als Journalist und in den Herausgeberverbänden der norwegischen Tages- und Wochenpresse.
Mit dem alten DNG-ler Eckart Roloff ist er seit 1980 befreundet; er hat ihn vor allem bei dessen norwegischer Medienforschung sehr unterstützt.   


 

Foto: Mette Myhre

 

 

Vor 1300 Jahren verschüttet, jetzt im Eis entdeckt: norwegische Skier

Nach Stoffen aus Norwegen zu suchen und dergleichen sogar zu finden, da kommt sich unsereiner manchmal wie ein kleiner Archäologe vor. Besonders schön ist es, wenn es sich dabei um archäologische Themen dreht. Drehen ist hier freilich kein so passendes Wort. Es geht um Ruhendes, um lange Zeit Vergrabenes und Verschüttetes.

So ist es auch hier: Spezialisten sind im vergangenen September im schmelzenden norwegischen Eis auf einen bestens erhaltenen Holzski samt Bindung aus Leder- und Birkenrindenriemen gestoßen. Und noch schöner: Er passt sehr gut zu einem Fund von 2014 und ist wie jener etwa 1300 Jahre alt. Darüber berichtet die Archäologin und Fachjournalistin Karin Schlott in Heft  40/2021 der Zeitschrift „Spektrum der Wissenschaft“.

Der Fundort liegt in einem Nationalpark mit der Gebirgszone Reinheimen, genauer im Eisfeld Digervarden bei Lesja. Am Werk war dort eine Forschergruppe um Espen Finstad von der Bezirksbehörde Innlandet. Die gehört zu der so bezeichneten Region, die zum 1. 1. 2020 aus den bisherigen fylker Oppland und Hedmark entstand und nördlich von Oslo liegt.

Dieser Ski bildet mit einem anderen, äußerst ähnlichen Ski ein komplettes Paar; das Gegenstück war schon vor sieben Jahren an derselben Stelle fachkundig ausgegraben worden. Die Radiokarbondatierung, ein bewährtes Mittel zur Altersbestimmung, deutete damals auf ein  Alter von etwa 1300 Jahren.

Als Satellitenbilder aus diesem Jahr vermuten ließen, dass sich das Eisfeld Digervarden zurückgezogen hat (offenbar eine Folge des sonst nicht gern beobachteten Klimawandels), sahen sich die Forscherinnen und Forscher die einstige Fundstelle erneut an - und entdeckten tatsächlich das zweite Objekt.

Beide Skier sind ähnlich aufgebaut: Sie sind mit fast 17 Zentimetern recht breit - an Slalom war damals wohl noch nicht zu denken, auch wenn das Wort als slalåm aus dem Norwegischen stammt ebenso wie der Ski samt der Loipe - und haben in die Spitze ein Loch. Der zweite Ski misst 187 Zentimeter, der andere ist etwas kürzer..

Weil beiden Stücke exzellent erhalten sind, können die Archäologen gut rekonstruieren, wie die Skier einst angeschnallt wurden: An der Skibindung wurde das Holz etwas höher belassen und durchbohrt. Durch die Öffnung führte man dann  einen längerer Riemen aus Birkenrinde und einen aus Leder. „Erhalten sind drei Birkenbindungen, die vermutlich ein und dasselbe in sich verdrehte Birkenrindenseil bildeten. Sie dienten als Bindung für die Zehen“, erklärt dem „Spektrum“-Artikel zufolge der Archäologe Lars Holger Pilø, der zusammen mit Espen Finstad das norwegische Projekt „Secrets of the Ice“ leitet.

Weiter meint er: „Der Lederriemen war für die Ferse. Und mit einem Holzstöpsel wurden die Riemen in der Öffnung fixiert.“ Sie waren schon immer praktische veranlagt, die Norweger, man denke  nur, dass zwei von ihnen zuständig waren für die Geburt des Käsehobels (nämlich anno 1925 der Tischler Thor Bjørkland) und der zunächst bügelförmigen Büroklammer (1899 dank des Physikers Johan Vaaler ersonnen und zum deutschen Patent angemeldet). Der „dialog“ hat das schon vor längerer Zeit ausgebreitet.

Wegen der Form der Skier nehmen Pilø und dessen Kollegen an, dass es sich um eine Art Tourenski gehandelt haben muss, mit dem man auf dem Schnee wandern und herabgleiten konnte. Pilø bietet auch dieses These an: Über die Unterseite zieht sich eine lange Furche. Wozu das? „Sie half, den Ski zu steuern. In der Furche konnte sich eine Art Lufttasche unter dem Ski bilden. Dadurch konnte der Ski besser gleiten“, erklärt er. „Und wenn es nass war, half die Furche, Wasser unter dem Ski zu beseitigen.“

Aus ihren Forschungen wissen die Archäologen um Finstad und Pilø, dass die Menschen vor langer, langer Zeit aus diesen Gründen in die eisigen Bergregionen Norwegens aufstiegen: für die Jagd, den Viehtrieb und den Handel. Weshalb aber die Skier von Digervarden zurückgelassen wurden, ist unklar. Hatte das mit einer Lawine zu tun, mit einem anderen Unglück? Menschliche Überreste fand man dort noch nicht. So ist es oft in der Archäologie: Eine Entdeckung löst eine Frage – löst aber weitere aus.

Die Gletscherarchäologen von „Secrets of the Ice“, so ein Hinweis von  Karin Schlott, haben bisher mehr als 3000 Objekte dokumentiert, die sie aus Eis in Innlandet bergen konnten. Datierungen ergaben, dass die ältesten Funde aus der frühen Jungsteinzeit Skandinaviens stammen, also zwischen 4000 bis 3700 v. Chr. - und die jüngsten Objekte reichen bis in unsere Zeit.

Zum Schluss noch etwas tief Archäologisches und Rekordverdächtiges: Unter dem Titel „Ist das der früheste Skifahrer?“ berichtete der „dialog“ im Dezember 2016 davon, dass 1933 der Norweger Gutorm Gjessing (1906-1979) auf der Insel Rodøy im fylke Nordland  eine Felsritzung freigelegt hatte. Sie stammt offensichtlich von etwa 2000 v.Chr., also aus der jüngeren Steinzeit, und zeigt mit wenigen Linien eine Figur auf zwei Skiern.

Bei den Symbolen für die Olympischen Winterspiele in Lillehammer 1994 und auf Medaillen kehrte dieses Motiv wieder. Umso schlimmer, wie die Geschichte weiterging, nämlich mit Frevel und Vandalismus: „Zwei Täter“, so dpa im August 2016, „ritzten  mit einem spitzen Gegenstand in diese Abbildungen.“ Es fehlen einem die Worte.

Eckart Roloff

Hier wird erklärt, wie Norwegen seine Erfolge im Skisport schafft

von Eckart Roloff 

 Es gab Zeiten, da schauten die, die als deutsch-norwegisch Interessierte sehr auf den Wintersport achteten, besonders gern zu, was das Fernsehen dazu brachte. Das war ja nicht wenig. Das Zuschauen versprach einen speziellen Vorteil: Oft waren NorwegerInnen ganz vorn dabei, oft aber auch Deutsche. Man hatte also unabhängig von der Nation einen fast garantierten Grund zur Freude.

Das hat sich etwas geändert. Im Winter 2020/2021 schafften es Deutsche nur noch ab und zu auf die ersten Plätze, Norwegen jedoch sehr häufig. Dazu ein Beispiel: Bei der Nordischen Ski-WM von Oberstdorf holte das Land nicht weniger als 13 von 24 Goldmedaillen, Deutschland lediglich zwei (im Skispringen). Bei der WM in Lahti vor vier Jahren war es noch so, dass Norwegen siebenmal ganz vorn war. Deutschland sechsmal.

Woher kommt solch eine Entwicklung, solch ein Unterschied zwischen lille Norge und Deutschland mit seiner viel größeren Bevölkerung, ein Unterschied, der ja auch für die alpinen Sportarten und Biathlon gilt? Eine Antwort darauf gibt der Sportjournalist Lars Becker, der seit Jahren für viele Redaktionen unterwegs ist. Sein richtig gewähltes Schlüsselwort: friluftsliv.

Um den 10. März 2021 herum war in mehreren deutschen Zeitungen sein Beitrag dazu zu lesen. Becker zitiert den deutschen Langlauf-Bundestrainer Peter Schlickenrieder mit diesen Sätzen: „In Norwegen hat der Wintersport eine ganz andere Bedeutung als hierzulande. Während in Deutschland die Sportstunden wegen der Corona-Pandemie gestrichen werden, gibt es in Norwegen sogar ein Schulfach mit dem Namen, ‚Friluftsliv‘, übersetzt, Leben in der freien Natur‘. Das ist in Norwegen eine Lebenseinstellung.“

 Richtig. Das ist nicht ganz neu. Nur erklärt das Schulfach allein noch nicht die vielen internationalen Erfolge, und die wegen Corona gestrichenen Sportstunden haben nichts mit den wenigen Spitzenplätzen in Oberstdorf zu tun. Es geht um mehr, wie Becker schreibt: „Friluftsliv gehört in den ersten zehn Jahrgangsstufen zum festen Programm und soll das sinnliche Erleben der freien Natur fördern.“ Mit dieser Folge: „Das ist ein wichtiger Grund dafür, dass die Zahl von jugendlich Nordisch-Wintersportlern in dem Land mit nur 5.4 Millionen Einwohnern wesentlich höher ist als in Deutschland.“

Norwegen schöpft also aus einem beeindruckenden Reservoir. Der DSV-Fachmann Horst Hüttel sagt dazu: „In Norwegen starten 240 Skispringer bei einem nationalen Wettbewerb, davon können wir nur träumen.“ Und im Langlauf „ist das Nachwuchsangebot noch viel größer“, so Becker, „was den Konkurrenzdruck erhöht und die Leistung fördert.“ Zudem gebe es in Norwegen mehr Schnee – und für längere Zeit.

Für Becker steht fest, dass „die Norweger auch trainingsmethodisch und wissenschaftlich die früher dominanten Deutschen längst eingeholt und hinter sich gelassen haben“. Und noch etwas: die sehr wichtige Sache mit dem Skimaterial, mit dem Schleifen und Wachsen.

Auch da sind die Norweger weit vorn, so sehr man sich bei uns bemüht, gut zu arbeiten und keine Fehler zu machen. Das ist ein Handwerk, eine extreme Tüftelei, vielleicht gar eine Wissenschaft für sich; sie kann über Sekunden entscheiden - und zwar viele Sekunden.

Zum Schluss seines Artikels kommt bei Becker der Chefcoach der deutschen Kombinierer zu Wort, Hermann Weinbuch. Er war in diesem Metier früher selbst sehr oft vorn dabei und sagt: „Wir werden unsere Ansprüche in Sachen deutsche Erfolge künftig zurückschrauben müssen.“

Sicher, das ist eine Möglichkeit des Reagierens, fast kurz vor dem Aufgeben und Hinnehmen. Eine andere wäre es, sich (noch) mehr anzustrengen und neue Ziele anzupeilen. Zugegeben, es gibt wichtigere Dinge als Medaillen in Massen. Am besten, auch wir nehmen wir uns ein neues Ziel vor: Gern beim Skisport zuschauen, egal wer gewinnt.                                                       

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Hinweis: Im „dialog“ Nr. 47 vom Dezember 2015 war zum Thema Friluftsliv der nachfolgende Text zu lesen, eine Rezension zum Buch „Friluftsliv – ein norwegisches Phänomen“.

Friluftsliv – was ist das?

Ein norwegisches Phänomen wird vorgestellt, in Theorie und Praxis

Annette R. Hofmann, Carsten Gade Rolland, Kolbjorn Rafoss und Herbert Zoglowek: Friluftsliv - ein norwegisches Phänomen.
Münster, Waxmann 2015. 197 Seiten, 34.90 Euro.

Tja, was ist friluftsliv, sehr wörtlich übersetzt Freiluftleben? „Eine deutsche Übersetzung gibt es nicht wirklich“, ist im Vorwort dieses Buches zu lesen. Diese könne es auch gar nicht geben, „da friluftsliv etwas spezielle Skandinavisches ist“. Und: „Die Bezeichnungen Freiluftleben oder Leben im Freien treffen zwar zu, wirken aber holprig.“ So ist es auch mit dem quasi akademischen Ausdruck Erlebnispädagogik. Also greift man zum Englischen, zu Wendungen wie Outdoor Actitivities und Outdoor Adventure. Ein bisschen besser, anschaulicher, passender mag das sein.

Wie auch immer, dieses Buch klärt gründlich und kompetent über sein Thema auf und damit über eine „Lebensphilosophie in Theorie und Praxis“, wie es im Untertitel heißt.

Ein Quartett aus Kennern hat sich zusammengetan, das zu leisten: mit deutschem, norwegischen und polnischen Hintergrund; es wirkt gemeinsam an der Arctic University of Norway mit den Standorten Tromsø, Alta und Hammerfest (jetzt so genannt nach Fusionen etwa mit der eigentlichen Universität Tromsø und nordnorwegischen Hochschulen). Es geht um eine wissenschaftliche Darstellung samt Fußnoten und höchst umfangreichem Literaturverzeichnis. Bilder werden auch geliefert – bei einem solchem Thema höchst willkommen, ja unausweichlich.

Beschrieben wird ein „bewegungskulturelles Phänomen“ mit pädagogischen Begleitern; berichtet wird, was man in welcher Natur und zu welchen Jahreszeiten unternehmen kann. Da dreht es sich viel ums Angeln und Jagen, ums Zelten und Kochen, um Lagerfeuer und Hundeschlitten, auch ums Eisangeln, Kajakfahren und Paddeln, ums Skiwandern und, etwas deftiger, um Schneehöhlen und Iglus. Wie sollte man das planen (so gut es eben geht), was hat man davon, was lernt man dabei, welche Risiken und Gewinne gibt unter der Rubrik friluftsliv?

Weitere Stichworte sind Identitätsentwicklung, Naturverständnis; ganzheitliches Erkennen, soziales Lernen, Förderung der Kreativität, Öffnung der Persönlichkeit und vieles mehr ... Ja, das Leben draußen, ohne den gewohnten Schutz, mit unsicherer Sicherheit und weg von Routinen, das ermittelt viel für den Alltag danach.  

Laura Münster

 

Beeindruckende Norwegenreise im Coronasommer 2020. von und mit Leif und Trude Johannessen.

Der Sommer 2020 war für uns alle ein besonderer. Nie in unserer Zeit haben wir hier in Europa eine derartige Epidemie erlebt, und leider ist diese längst nicht vorbei. Wir befinden uns in einem „Lock-Down“ mit all seinen Folgen, nicht nur für die sonst so erlebnisreiche Weihnachtszeit. Dies betrifft auch Norwegen, obwohl im Moment nicht so hart wie sonst in Europa: das öffentliche Leben quasi nicht existent, kein „Julefest“, kein „Julebord“, nur ganz wenige Personen zum Fest am Heilig Abend. Die Aufzählung könnte „beliebig“ weitergehen.

Deshalb kamen wir auf die Idee, einige Bilder von unserem letzten Aufenthalt in Norwegen könnten dazu beitragen, etwas Licht in diese dunkle Jahreszeit zu bringen. Wir hatten das ausgesprochene Glück, auch in diesem Jahr  Norwegen besuchen zu dürfen. Bekanntlich war Norwegen lange geschlossen, dann wurde die Einreise möglich, falls man Eigentum besitzt und sich dort die ersten 14 Tage in Quarantäne aufhalten kann...

Den vollständigen Reisebericht können Sie hier herunterladen!

 

Der Umgang mit den tyskerbarna, den Kindern norwegischer Mütter und deutscher Soldaten während der Besatzungszeit, ist ein sensibles und wenig rühmliches Kapitel norwegischer Geschichte. Gesellschaftlich tolerierte Ausgrenzung, Verachtung und körperliche Gewalt waren für die Kinder nach dem Zweiten Weltkrieg an der Tagesordnung. Ein preisgekröntes und pädagogisch wertvolles Handyspiel aus Norwegen schafft ein neues Bewusstsein für die Situation dieser Kinder und eine beinahe vergessene Folge des Zweiten Weltkriegs.

„Mein Kind Lebensborn“ stellt ein spannendes und außergewöhnliches Projekt dar, von denen die Computerspielebranche gerne mehr und auch technisch anspruchsvollere hervorbringen darf.
Nicht zu Unrecht gewann es 2018 den norwegischen spillprisen in der Kategorie „Game of the Year, Small Screen“ sowie 2019 einen der renommierten BAFTA Awards als „Game beyond entertainment“.

Das Spiel ist für 2,99 € in App Stores für iOS- und Android-Endgeräte erhältlich und kann auf Deutsch, Englisch, Norwegisch (bokmål und nynorsk) sowie Japanisch und Chinesisch gespielt werden.

Eine ausführliche Beschreibung über dieses außergewöhnliche Handyspiel finden Sie hier !

Dr. Marcel Schmutzler ist Beirat im Vorstand der DNG und Redakteur des Mitgliedermagazins dialog.

Im „Business Portal Norwegen“ vom 24. Mai 2019 fand sich ein Text darüber, dass Norwegens Kronprinz Haakon auf mehr deutsch-norwegische Projekte hofft, um die Pariser Klimaziele und die Nachhaltigkeitsziele der Uno zu erreichen. Er war in Berlin zum German Norwegian Zero Emission Forum, das in der Norwegischen Botschaft stattfand, und informierte sich über die Entwicklung Norwegens hin zu einer emissionsfreien Gesellschaft.

In einem Vortrag blickte er auch zurück auf das erste Elektroauto in Norwegen. 2003 habe er ein sehr kleines, in Norwegen produziertes Auto gefahren; das schaffte ein paar Kilometer von seinem Wohnort zum Schloss und zurück – aber nur im Sommer. Im Winter habe er auf andere Transportmittel nutzen müssen, da die Batterieleistung zu gering war. Heute sei sein Land ein Pionier der Elektromobilität. 50 Prozent der Neuzulassungen waren im ersten Quartal 2019 Elektrofahrzeuge. Bis 2025 sollen in Norwegen alle neuen Autos mit umweltfreundlichen Antrieben ausgestattet sein, so das Ziel der Regierung.

Eine wichtige Rolle spiele in Norwegen, so der Kronprinz weiter, die Elektrifizierung von Fähren. Zwei Drittel aller Fähren sollen bis 2030 emissionsfrei betrieben werden. Die Öl- und Gasindustrie Norwegens leiste einen bedeutenden Beitrag bei neuen Technologien, die für umweltfreundliche Produkte und Lösungen eingesetzt werden, etwa für Offshore-Windparks oder auch für die Verlegung von Stromleitung auf dem Meeresboden.

Kronprinz Haakon würdigte die deutsch-norwegische Zusammenarbeit im Umweltbereich. Dabei erwähnte er den Windpark Arkona, das grüne Kabel Nord Link und die Batteriefabrik von Siemens in Trondheim. Er hoffe dass es künftig noch mehr Beispiele deutsch-norwegischer Kooperationen dieser Art gebe.

In der „Spiegel“-Ausgabe vom 18. Mai 2019 stand ein Interview mit dem Kronprinzen; darin geht es ebenfalls um die Energie- und Klimapolitik. Er äußerte sich mit klarer Zustimmung zu der Bewegung, die Greta Thunberg von Schweden aus ausgelöst hatte.

Sind Sie bereit für einen Streifzug durch eine Stadt voller nachhaltiger Stadtviertel, autofreier Straßen und ökologisch ausgerichteter Gourmetrestaurants? Willkommen in der Umwelthauptstadt Europas 2019!

Oslos Status als grüne Hauptstadt basiert auf noch viel mehr als den vielen Parks und großen Waldgebieten der Stadt. Stadtplaner, Politiker und Unternehmen unterschiedlicher Art arbeiten schon lange intensiv daran, die CO2-Bilanz von Oslo zu reduzieren und eine nachhaltige Zukunft für alle zu gewährleisten. Ihr Einsatz fand Beachtung bei der Europäischen Kommission, die Oslo für 2019 zur Umwelthauptstadt Europas ernannt hat.

Lesen Sie hier weiter, wenn Sie erfahren möchten, was Oslo zu einer nachhaltigen Stadt der besonderen Art macht.

Wer wissen will, was in Norwegen und den anderen nordischen Ländern rund um den Polarkreis geschieht, bekommt hier viel Aufklärung:

www.polarkreisportal.de

Dort gibt es täglich Aktuelles aus diesen Breiten, ob zu Politik, Wirtschaft, Kultur oder Tourismus. Zu verdanken ist das der Skandinavistin Andrea Seliger, die in Kiel als Journalistin und Übersetzerin arbeitet.
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24.06.2023 - ab 16.00 Uhr, St. Hans Fest in St. Augustin

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